Überblick
Flow
Lernen
  Definition
  Stufen
  Prozess
  Probleme
  Paradigmen
BioLogik
Gordon-Modell
 
Analyse
Motivation
Material & Sinne
Filter
Verarbeitung
Konzentration
Wiedergabe
 
Lösung
Lernmaterialien
Motivation
Mnemotechniken
Wiedergabe
 
Beispiele
Hausaufgaben
Mathematik
Naturwissenschaften
Sprachen
Geisteswissenschaften
Sport, Kunst, Musik
www.flow-learning.de > Überblick > Lernen > Paradigmen

Paradigmen

Ein Paradigma ist eine allgemeine wissenschaftliche Leitidee. (T.S. Kuhn)

Thomas Samuel Kuhn (* 18. Juli 1922 in Cincinnati;   17. Juni 1996 in Cambridge, Massachusetts) war ein US-amerikanischer Physiker, Wissenschaftstheoretiker und -historiker. Nach Kuhn ist die Leitidee eng mit soziologisch relativ eindeutig abgrenzbaren Wissenschaftlergemeinschaft verbunden. Diese Gemeinschaft verteidigt, propagiert ihr Paradigma und geht mit ihr unter.

Eine von Kuhns wichtigste Folgerung ist:

Die Ablösung von bestehenden Theorien ereignet sich nicht durch logischen Widerlegung der alten Theorie durch eine neue, bessere Theorie, sondern auf dem Wege der Konfrontation.

Mit anderen Worten: Die aktuelle vorherrschende Leitidee in einem Wissenschaftsbereich ist weniger von Richtig und Falsch abhängig (dies lässt sich sowieso in vielen Wissenschaften nicht entscheiden), sondern vielmehr von der Menge und Überzeugungskraft der Anhänger dieser Theorie. Welche wissenschaftliche Theorie als korrekt anerkannt wird hängt somit nicht nur vom aktuellen Stand der Forschung ab, sondern auch von dem, was "gerade in" ist. Was durch die Gesellschaft am Ehesten anerkannt wird. Dies lässt sich sehr schön am Beispiel der Lernparadigmen erkennen.

Behaviorismus vs. Kognitivismus vs. Konstruktivismus

Wie lernt ein Mensch eigentlich? Was passiert im Kopf eines Menschen (oder auch Tieres), wenn es lernt? Diese Frage hat bereits viele Menschen beschäftigt und hat dadurch zu vielen unterschiedlichen Beschreibung, Paradigmen, Leitideen geführt. Eine davon ist der Behaviorismus.

Behaviorismus

Der Behaviorismus (engl.: behavior, dt.: Verhalten) ist wohl die bekannteste Lerntheorie. Sie wurde vor allem durch Pawlow (Pawlows Hund) und später Edward Lee Thorndike, Burrhus Frederic Skinner um ca. 1915 bekannt. Skinner setzte dabei auf Pawlows Idee auf und führte sie fort. Kernelement des Behaviorismus ist, dass das Gehirn als "Black Box" behandelt wird. Also nicht hinterfragt wird, was im Detail im Gehirn beim Lernen abläuft. Es ging einfach um die Beobachtung von "Wenn ich das verändere, dann wird das gelernt".

Pawlows Überlegungen und Experimente hatten folgendes Ergebnis: Verhalten kann durch etwas ausgelöst werden, was eigentlich nichts mit dem Verhalten (Reaktion) zu tun hat. Den Versuch hat Pawlow u.a. mit Hunden durchgeführt, was zum Begriff "Pawlowscher Hund" geführt hat.

TheorieBeispiel
Reiz->ReaktionFutter->Sabbern
Reiz+neutraler Reiz->ReaktionFutter+Glocke->Sabbern
neutraler Reiz->ReaktionGlocke->Sabbern

Der Hund hat nun gelernt, dass es bei Erklingen des Tons Futter gibt. Daher fängt er bereits das Sabbern an, wenn nur der Ton erklingt. Der ursprünglich neutrale Reiz ist nun ein sogenannter konditionierter Reiz und die Reaktion des Sabberns ist nun eine konditionierte Reaktion. Damit die Verbindung zwischen Futter und Ton hergestellt wird, ist es wichtig, dass die zeitnah erfolgen. Der Zeitraum zwischen beiden Reizen darf nicht zu groß sein. Dies sind meist nur ein paar Sekunden.

Skinner stellte nun fest, dass dieses Reiz-Reaktions-Lernen nicht immer funktioniert bzw. nur für einfaches Verhalten funktioniert. Wie lässt sich aber Verhalten lernen, dass keine Reaktion ist. Das ein Hund einen geworfenen Stock zurückbringt ist in der Natur nicht vorgesehen. Es gibt keinen auslösenden Reiz hierfür. Skinner hat dennoch eine Lösung gefunden. Führt der Hund das Verhalten einmal aus, so wird sofort belohnt. Damit verbindet der Hund die Belohnung mit dem neuen Verhalten. Da er weiter Belohnungen haben möchte, setzt er das gewünschte Verhalten fort. Man spricht nun nicht mehr vom klassischem Konditionieren (lat.: conditio, dt.: Bedingung) sondern vom operanten Konditionieren. Die Belohnung wird als Verstärker bezeichnet.

Dieses operanten Konditionieren findet bei der Erziehung vielfältige Anwendung. So bekommt ein Schüler für eine gute Note eine Belohnung in der Hoffnung, dass das Verhalten (hier das fleißige Lernen) fortgesetzt wird. Leider funktioniert dieses Schema bei solch komplexen Handlungen nicht mehr so einfach, da der Schüler nicht vollständig auf das Ergebnis Einfluss nehmen kann, weil er vielleicht nur abgeschrieben hat (dann wird dieses Fehlverhalten belohnt) oder weil die Belohnung für den Schüler keine Belohnung darstellt (Essen). Auch hier ist die Zeitnähe der Ereignisse wichtig, da andernfalls kein Zusammenhang zwischen Tun und Belohnung entsteht.

Eine andere Möglichkeit Verhalten zu ändern, wäre die Strafe oder negative Verstärker. Mehr hierzu finden Sie unter Wikipedia

Kognitivismus

In den 1920er Jahre und später vor allem in den 1960er Jahre kam dann die Wende. Die Lerntheorie des Behaviorismus wurde erweitert und abgelöst durch den Kognitivismus (lat.:cognoscere, dt.:erkennen). Es wurde nun versucht zu erklären was beim Lernen im Gehirn des Lerners geschieht. Denn z.B. das Lernen einer Sprache, von Mathematik, komplexen Bewegungsabläufen wie beim Golf oder sozialem Verhalten (z.B. Tischmanieren) kann nicht mit dem Behaviorismus erklärt werden.

Das hier wichtigste, aber nicht alleinige, Element des Kognitivismus ist das Lernen am Modell. Hauptvertreter dieser Richtung war Bandura, aber auch Piaget und Gagne. Der Kognitivismus erklärt nun aber nicht detailliert, was im Gehirn abläuft, wenn gelernt wird. Welche Nervenbahn in welchem Teil des Gehirns neu gebildet oder stärker ausgeprägt wird. Es ging lediglich um die Frage, was man machen muss, um mehr zu behalten. Kernaussage ist somit das Drei-Speicher-Modell gewesen. Also die Unterteilung in Ultrakurzzeit-Gedächtnis, Kurzzeit-Gedächtnis und Langzeit-Gedächtnis. Erst wenn Wissen im Langzeit-Gedächtnis verankert ist, gilt es als gelernt. Wie gelangt nun Wissen am Besten und Schnellsten ins Langzeit-Gedächtnis?

Eine Antwort hatte ich bereits gegeben: Man schaut sich das neue Verhalten einfach von einem Modell ab. Dies beherrschen vor allem Kinder in einer unglaublichen Perfektion (vor allem, wenn es um etwas geht, was sie eigentlich besser nicht lernen sollten). Denken Sie nur daran, wie schnell Kinder selbst komplizierte Abläufe nur durchs Abschauen nachahmen und lernen. Gefestigt wird das Ganze dann durch ständiges Wiederholen.

Aber nicht nur durch Nachmachen lernt man. Auch durch Nachdenken, durch Einsicht, Versuch und Irrtum. Entscheidend ist also, dass im Gegensatz zum Behaviorismus im Kognitivismus das zu erwerbende Wissen aufbereitet, verarbeitet werden muss, bevor es gelernt ist. Auf dieser Basis sind auch die meisten Lerntipps: Stoff wiederholen, Karteikastensystem, Menmotechniken, usw.

Konstruktivismus

Aber auch wenn, so schon vieles erklärt werden konnte und der Wissenserwerb damit deutlich effektiver war, so war es doch noch nicht das Ende. Was durch die beiden grundlegende Theorien noch nicht abgedeckt war, waren Lernphänomene der folgenden Art: Obwohl der gleiche Unterrichtsstoff vermittelt wird, ist das Lernen in Projektform effektiver. Woran liegt das? Dies liegt daran, dass das neue Wissen in Bezug auf das alte Wissen konstruiert wird. Es werden beim Lernen individuelle Konstrukte aufgebaut und zwar immer im Hinblick auf aktuelle oder zukünftige oder Zweckmäßigkeit. Zu lernen bedeutet nun nicht passiv das Wissen wie ein Schwamm aufzunehmen sondern aktiv sich den Stoff durch Erfahren, Handeln, Erleben oder Kommunizieren zu erarbeiten.

David Paul Ausubel, ein Vertreter dieser Richtung, wies daher folgerichtig daraufhin, dass Lernen in der Verknüpfung von neuem Stoff mit bereits vorhandenem Wissen besteht. Um diese Verknüpfung zu erleichtern, soll der Lehrer den Stoff klar vorstrukturieren ("advance organizer").

Zusammenfassung

Unterrichtsauswirkung Beispiele
KategorieBehaviorismusKognitivismusKonstruktivismus
Entstehungca. 1913ca. 1920ca. 1945
VertreterPawlow, Skinner, ThorndikePiaget, Brunder, GagneMaturana, Ausubel
Gehirn istpassivverarbeitet Wissenkonstruiert Wissen
ParadigmaReiz-ReaktionProblemlösenNeues Konstruieren
KernthemaReflexionKognitionInteraktion
Lehrer istautoritärer ExperteTutor (Ratgeber, Mentor)Coach, Trainer
LernzielRichtige AntwortenProblemlösung durch AnwendenLösen komplexer Situationen, Neues schaffen
LehrformFrontal-UnterrichtBeobachten und HelfenKooperation
Lehrmaterialkleine, dosierte Portionenkomplexe SituationenUnstrukturierte Realität
LernformGespeichertverarbeitetkonstruiert
PrüfungReproduktionAktives Problemlösen, AnwendenVerständnis, Transfer
FeedbackVorgegebenExtern modelliertIntern modelliert
SchulenStaatliche SchulenGesamtschulen, LandschulheimeMontessori-Schulen, Waldorfschulen
HöhepunktBis ca. 1960Bis ca. 1990Seit ca. 1990

Folgerung

In den letzten beiden Reihen der Tabelle kann man den Versuch einer Zuordnung der Schulform mit der jeweiligen Lerntheorie sehen. Interessant ist dabei, dass die jeweilige Schulform und Unterrichtsform jeweils dann einen Höhepunkte hat, wenn sich eine Lerntheorie in der Allgemeinheit durchgesetzt hat. War noch zu Kaiser-Zeit das Auswendiglernen das primäre Unterrichtsziel ist es nun das Zurechtfinden mit komplexen Situation. Also das, was auch PISA testet. Da aber Unterrichtsform und Prüfung auseinander gehen, ist es kein Wunder das Deutschland im internationalen Vergleich so schlecht abgeschnitten hat. Kuhns Theorie ist also bestätigt worden.

Man darf nun aber nicht denken, dass man einfach die Schularten und Unterrichtsformen auf den Konstruktivismus ausrichten sollte. Man darf nicht vergessen, dass verschiedene Formen von Wissen auch auf Basis einer anderen Lerntheorie vermittelt und gelernt werden müssen. Bewegungsabläufe lernt man nun mal nur durch Abschauen und Ausprobieren (Kognitivismus), Mathematik kann man nicht mit Behaviorismus lernen. Man muss selbst darüber nachdenken, nachvollziehen (Konstruktivismus). Vokabeln hingegen, da es für sie nur eine richtige Variante gibt und sie automatisiert geäußert werden müssen, können nur durch Behaviorismus (Lernen und Belohnen) aufgenommen werden.

Jede Lerntheorie hat seine Berechtigung. Man muss nur die richtige Theorie für das entsprechende Thema verwenden. Das ist die eigentliche Kunst.

www.flow-learning.de > Überblick > Lernen > Paradigmen


Links
Unterrichtsformen

20 Grundformen und eine "Kraut und Rüben"-Sammlung von ca. 80 speziellen Formen.

23 Unterrichtsformen

Gute Erklärung der wichtigsten Formen.