Wenn Sie ein Verhalten Ihres Kindes oder Schüler als unangenehm empfinden und es Sie stört, das Kind selbst aber kein Problem mit seinem Verhalten hat, dann wird es Zeit für eine Ich-Botschaft. Die Ich-Botschaft dient dazu dem Gegenüber nachvoll-ziehbar und deutlich klar zu machen, warum sein Verhalten für sie nicht tragbar ist.
Ich-Botschaften bestehen aus drei Teilen:
Auslösendes Verhalten - Eigenes Empfinden - Auswirkung
Nehmen wir als ein einfaches Beispiel das "Nicht-Tisch-decken-wollen" der Kinder. Die meisten Eltern sagen dann etwas in der Art wie "Jetzt hilf halt auch mal!", oder "Muss ich eigentlich immer alles selbst machen?". Im letzteren Fall bekommt man im schlimmsten Fall dann auch noch die Antwort "Ja." und der Streit geht erst richtig los. Vielleicht versucht sie es einmal anders.
Beschreiben sie zunächst das auslösende, störende Verhalten: "Wenn du nicht beim Tischdecken mithilfst,..." Lassen sie sich nicht daran stören, dass die Ich-Botschaft mit "du" beginnt. Das ist in Ordnung. Sie müssen nur darauf achten, dass die Beschreibung nicht erniedrigend wird, beispielsweise so: "Wenn du statt den Tisch zu decken nur faul rumliegst und die Luft verbrauchst,..." Dann möchte Ihnen natürlich keiner mehr helfen.
Als nächstes verdeutlichen Sie Ihr eigenes Gefühl. Wie fühlen Sie sich, wenn Sie jetzt alleine den Tisch decken müssen: erschöpft, müde, enttäuscht, unglücklich, verletzt, überfordert, gestresst?
Im letzten Schritt müssen Sie Ihrem Gegenüber erklären, warum das beschriebene Gefühl ein Problem für Sie ist. Denn es könnte ja sein, dass Ihr Gesprächspartner, anders als Sie, gerne im Stress ist: "…mir brennt dann mein Essen an.", "…ich werde nicht rechtzeitig fertig."
Insgesamt könnte die Ich-Botschaft dann lauten: "Wenn du nicht beim Tischdecken hilft, komme ich in totalen Stress und mir brennt das Essen an."
Es ist wichtig vollständige Ich-Botschaften zu senden, da ansonsten eine Verhaltensänderung des Gegenüber sehr unwahrscheinlich ist. Und selbst wenn Sie wie im obigen Beispiel eine vollständige Ich-Botschaft formulieren, können Sie als Reaktion "Ist mir doch egal!" als Antwort erhalten. Das bedeutet dann nicht, dass Ihre Botschaft falsch wahr. Aber vielleicht sollten Sie die Auswirkung so formulieren, dass es den Empfänger der Botschaft auch wirklich berührt: "Wenn du nicht beim Tischdecken hilft, komme ich in totalen Stress und mir brennt das Essen an. Dann gibt es nichts zu essen."
Passen Sie aber auf, dass Sie nicht aus Versehen eine Auswirkung nennnen, die nur für Sie negativ für den Empfänger aber positiv ist:
"Wenn du nicht beim Tischdecken hilft, komme ich in totalen Stress und mir brennt das Essen an. Dann müsssen wir Pizza holen gehen."
"Ihr sein zu laut, ich kann mich gar nicht richtig konzentrieren und auf eure Fragen eingehen. Ihr könnt die Hausaufgaben dann gar nicht machen." Für die Schüler wäre das mit Sicherheit nicht so negativ, wie für Sie als Lehrer, der den Lehrplan im Nacken spürt.
Das spannende an Ich-Botschaften kann für den Sender die Erfahrung sein, dass viele seiner Reaktionen völlig willkürlich und unnötig sind, da es entweder keinen Grund für ihn gibt (das negative Gefühl fehlt) oder eine wirkliche, den Empfänger berührende Auswirkung fehlt. Dann hat der Sender das Problem, dass er seinem Gegenüber den Verhaltenswunsch nicht plausibel machen kann. Auf der anderen Seite realisiert der Sender dann aber wahrscheinlich, dass er eigentlich gar kein Prolem hatte.
Wenn man einige Zeit mit Ich-Botschaften gearbeitet hat, kommt man zu der Einsicht, dass der Ausdruck des eigenen Gefühls in Worten sehr schwierig sein kann. Nicht nur weil man seine eigenen Gefühle erforschen muss, sondern weil man feststellt, dass manche Gefühle für das Kind besser einsichtig sind als andere. Vor allem das Gefühl "Ärger" führt meistens nicht zum Ziel: "Wenn ihr mir nur zuschaut, bin ich sehr ärgerlich, weil ich dann alles alleine machen muss und keine Zeit für andere Dinge habe."
Ärger ist ein sogenanntes sekundäres Gefühl. Es ist die Summe vieler einzelner Gefühle oder der Überbegriff für viele Gefühle. Sie sollten sich darauf konzentrieren echte Gefühle zu nennen: Furcht, Schmerzen (weh tun), Verlegenheit, Enttäuschung, Angst, aufgebracht sein, aufgeregt sein, Sorge, Trauer, unglücklich sein, Wut, Hass. Aber positive Gefühle sollten selbstverständlich genannt werden: Anerkennung, Freude, Zufriedenheit, Erleichterung, Dankbarkeit, Glück.
Beachten Sie auch, dass Sätze, die mit "Ich fühle mich beschwindelt, beherrscht, geringgeschätzt, missachtet…" beginnen, kein echtes Gefühl ausdrücken, sondern eine Interpretation Ihrerseits. Denn eigentlich steckt dahinter die z.B. Formulierung "Ich denke, dass ich beschwindelt werde." Damit machen Sie Ihrem Gegenüber aber einen Vorwurf, machen ihn zum Täter. Gerade an der letzten Interpretation lassen sich solche Pseudogefühle erkennen. Es soll hier aber nur um Sie und Ihre Gefühle gehen. Die Schlussfolgerung, dass Ihr Gegenüber etwas damit zu tun hat, muss er selber ziehen.
"Warum reagiert mein Kind nicht auf meine Ich-Botschaft? Ich mache doch alles richtig. Alle drei Elemente Handlung-Gefühl-Wirkung sind vorhanden und dennoch passiert nichts."
Natürlich kann es immer wieder passieren, dass ihr Kind nicht reagiert oder nicht so, wie Sie es gerne hätten. Das ist normal und kann bei Menschen immer passieren. Schließlich haben Menschen einen eigenen Willen. Sie als Botschaftssender sollten sich aber dennoch über folgende Punkte Gedanken machen. Denn es gibt viele Faktoren, die den Erfolg einer Ich-Botschaft ausmachen.
Lassen Sie sich und Ihrem Kind Zeit in die neue Kommunikation hineinzuwachsen. Die neue Ehrlichkeit ist ungewohnt für beide. Sie müssen sich zwingen zu offenbaren und Ihr Kind muss Vertrauen in Ihre Ehrlichkeit bekommen. Und denken Sie daran: Neuen Verhaltensweisen benötigen 100 Tage um sich dauerhaft zu implementieren.